Blutdruckziele ab 65 Jahren: Wie weit sollte gesenkt werden? (2025)

Kolumne: Cochrane Corner – Nach bestem Wissen

Bei älteren Menschen können die Blutdruckziele weniger streng sein als bei Jüngeren, abhängig von ihrem Alter, ihrer Lebenserwartung und ihrem Gesundheitszustand. Von einer Blutdruckeinstellung auf Werte unter 140/90 profitieren aber auch über 65-Jährige, so das Ergebnis eines aktualisierten Cochrane Reviews.

Von Dr. Birgit Schindler,

Blutdruckziele ab 65 Jahren: Wie weit sollte gesenkt werden? (1)

Ein anhaltend zu hoher Blutdruck erhöht das Risiko für Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Nierenschäden. Kontrovers diskutiert wird jedoch seit Jahren, wie weit der Blutdruck gesenkt werden sollte. Denn Medikamente haben auch Nebenwirkungen – und ihr Nutzen ist nicht für alle gleich, sondern hängt vom persönlichen Risiko für Folgeerkrankungen ab.

Bei jüngeren Menschen spielt die Vermeidung von Langzeitschäden eines hohen Blutdrucks eine besonders große Rolle. Mit zunehmendem Alter können hingegen unerwünschte Wirkungen der blutdrucksenkenden Medikamente wie Schwindel – und ein damit verbundenes erhöhtes Sturzrisiko – schwerer ins Gewicht fallen.

Zudem sind Ältere oft auf eine Vielzahl von Medikamenten angewiesen. Eine intensivierte Hochdrucktherapie kann die medikamentöse Belastung erhöhen und das Risiko von Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Arzneimitteln steigern.

Ein aktualisierter Cochrane-Review sichtete daher alle Studien, um die Auswirkungen eines weniger intensiven Blutdruckziels (im Bereich von unter 150 bis 160/95 bis 105 mmHg) im Vergleich zu einem herkömmlichen Blutdruckziel (unter 140/90 mmHg) bei über 65-Jährigen mit Bluthochdruck zu bewerten.

Blutdruckziele ab 65 Jahren: Wie weit sollte gesenkt werden? (3)

Was ist Cochrane?

Cochrane ist ein internationales Forschungsnetzwerk, das seit über 30 Jahren systematische Übersichtsarbeiten – die sogenannten Cochrane Reviews – erstellt. Diese Übersichtsarbeiten fassen den aktuellen, weltweiten Wissensstand der Forschung zu Fragestellungen aus Medizin und Gesundheit zusammen und bewerten die Vertrauenswürdigkeit der zugrundeliegenden Studienergebnisse. Damit bilden Cochrane Reviews eine zentrale Grundlage der evidenzbasierten Medizin.

In dieser Kolumne für die Apotheken Umschau stellen Mitarbeitende von Cochrane Deutschland in Freiburg die Ergebnisse aktueller Cochrane Reviews vor.

Das Cochrane-Team fand vier Studien, an denen 16.732 Menschen über 65 Jahren über einen Zeitraum von knapp drei Jahren teilgenommen haben.

Das niedrigere Blutdruckziel verhinderte Schlaganfälle effektiver. Dieses Ergebnis gilt als sicher. Wahrscheinlich senkt das niedrigere Blutdruckziel auch das Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Ereignisse insgesamt. Dazu zählen neben Schlaganfällen auch verschiedene Herz- und Gefäßerkrankungen sowie Nierenschäden. Konkret bedeutet dies: Werden 1000 Personen knapp drei Jahre lang behandelt, tritt wahrscheinlich bei 39 Personen, die das niedrige Blutdruckziel verfolgen, ein schweres Herz-Kreislauf-Ereignis ein, im Vergleich zu 48 bei denjenigen, deren Blutdruck weniger streng eingestellt wird.

Unklar bleibt die Auswirkung auf die Sterblichkeit. Die bisherigen Daten lassen nicht den Schluss zu, dass das niedrigere Blutdruckziel, das Risiko zu sterben, senkt; sicher auszuschließen ist das aber derzeit auch nicht.

Dabei scheint das angestrebte Blutdruckziel keinen wesentlichen Einfluss darauf zu haben, ob die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen abgebrochen wird.

Eine wichtige Einschränkung ist, dass sich die Evidenz zwar auf ältere Erwachsene ab 65 Jahren konzentriert, drei der vier Studien jedoch Ältere ab 80 beziehungsweise 85 Jahren ausschlossen. Es bleibt also unklar, welche Wirkungen niedrigere Blutdruckziele bei sehr alten oder gebrechlichen Menschen haben.

Nach bestem Wissen

Auch Menschen ab 65 Jahre profitieren von einer Blutdruckeinstellung auf Werte unter 140/90. Sie senkt bei Ihnen nachweislich das Schlaganfallrisiko. Es fehlen aber noch Daten für Menschen ab 80 Jahre. Für den optimalen Zielblutdruck spielen neben dem Alter auch andere individuelle Voraussetzungen wie Lebenserwartung, Gebrechlichkeit, Verträglichkeit der Blutdrucksenker oder Belastung durch Polymedikation eine wichtige Rolle. Es bleibt also eine individuelle Entscheidung, wie „gut“ der Blutdruck eingestellt werden soll.

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